Review: Empörung (Film)

Kommen wir heute mal zu einem Film, über den ich wie zufällig gestolpert bin, der mich dafür aber nach anfänglicher Skepsis sehr zu überzeugen wusste. Entsprechend wieder einmal eine deutliche Ausnahme von der ungeschriebenen Regel, dass ich an Donnerstagen nur schlechte Filme bespreche.

Empörung

Indignation, USA/CN/BR/DE 2016, 110 Min.

Empörung | © Warner Home Video
© Warner Home Video

Regisseur:
James Schamus
Autoren:
James Schamus (Drehbuch)
Philip Roth (Buch-Vorlage)

Main-Cast:
Logan Lerman (Marcus Messner)
Sarah Gadon (Olivia Hutton)
Tracy Letts (Dean Caudwell)
Linda Emond (Esther Messner)
Danny Burstein (Max Messner)
in weiteren Rollen:
Ben Rosenfield (Bertram Flusser)
Pico Alexander (Sonny Cottler)
Philip Ettinger (Ron Foxman)
Noah Robbins (Marty Ziegler)

Genre:
Drama | Romantik | Historie

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Empörung | © Warner Home Video
© Warner Home Video

Marcus Messner ergattert als Sohn eines Metzgers dank Fleiß und Intelligenz 1951 einen Platz an einem College in Ohio, was ihm gleichsam den Armeedienst erspart. Dort angekommen, wird er natürlich prompt bei den einzigen zwei verbindungslosen jüdischen Mitstudenten einquartiert, obwohl Marcus sich selbst als konfessionslos betrachtet und keiner der Religionen den Vorzug zu geben bereit ist. Das sieht Dekan Caudwell allerdings anders, wobei ohnehin von jedem Studenten verlangt wird, bis zum Abschluss mindestens fünfzig Mal an der wöchentlichen Predigt teilgenommen zu haben, was Marcus ebenfalls ein Dorn im Auge ist. Erst aber, als Marcus sich für die Mitstudentin Olivia Hutton zu interessieren beginnt, läuft die Situation zusehends aus dem Ruder und nach einer Auseinandersetzung mit seinen Zimmergenossen lädt ihn der Dekan zum Gespräch, um mit fürsorglicher Strenge über dessen Ansichten, Einstellung und die Glaubensfrage zu diskutieren…

Rezension:

Jüngst habe ich mich mit Empörung mal wieder an die Verfilmung eines Philip-Roth-Romans begeben, die witzigerweise sogar im selben Jahr erschienen ist wie Ewan McGregors Adaption von Amerikanisches Idyll. Hier nun zeichnet James Schamus als Drehbuchautor, Produzent und Debut-Regisseur verantwortlich und widmet sich einem der Spätwerke des Autors. Hierbei handelt es sich um einen von vier unter dem Label "Nemeses" vereinten Kurzromanen. Beste Voraussetzungen für eine gelungene Adaption, auch wenn sich Schamus einige Freiheiten genommen hat und natürlich dennoch Figuren und Ereignisse kürzen oder zusammenschreiben musste, doch der Kern des Ganzen – so man sich denn auf die ruhige, beinahe schon altmodisch zu nennende Art der Inszenierung einlassen mag – weiß durchweg zu überzeugen. Abgesehen von dem eröffnenden, den Film einrahmenden Kriegsszenario also beginnt dieser auffallend beschaulich und getragen, wobei das im weiteren Verlauf den sich entspinnenden Fatalismus der Erzählung nur noch verschärft.

Szenenbild aus Empörung | © Warner Home Video
© Warner Home Video

So lernt man den jungen Marcus Messner als aufgeweckten und wissbegierigen High-School-Absolventen kennen, der sich anschickt, aus dem heimischen Newark nach Ohio zu reisen und dort das College zu besuchen. Anfänglich mag man zwar die Nase rümpfen, dass der prompt mit zwei anderen Juden in ein Zimmer gepackt wird, aber es sind eben die 1950er Jahre in Amerika und selbstredend stecken hinter dieser Kategorisierung nur die besten Absichten, wobei "gut gemeint und schlecht gemacht" es wohl noch besser trifft. Dennoch, Marcus fügt sich zunächst, nimmt die oft wenig nachvollziehbaren Ansprüche und Manierismen des College-Betriebs hin und versucht, ohne groß anzuecken, sich seinem Studium zu widmen. Das geht in Empörung aber freilich nur zeitweise gut und den Stein ins Rollen bringt im Grunde die hübsche Olivia, mit der Marcus bald schon sein erstes, für ich hochgradig verwirrendes Date hat. Auch hier scheint alles zunächst harmlos und mit viel Gespür für Timing und Inszenierung präsentiert Schamus das Ganze als gelungenen Ausschnitt aus einem klassischen "Period Piece". Dieses Terrain verlässt er allerdings ebenso schnell wieder und auch wenn viele der hier skizzierten Ansichten und Wertevorstellungen heutzutage längst überholt zu sein scheinen, offenbart sich doch hinter der Fassade eine geradezu erschreckende Aktualität der Themen und Ansätze, die hier verhandelt werden.

Ohne wirkliches Zutun und schon gar ohne jede böse Absicht gerät nämlich Marcus Messner in eine regelrechte Abwärtsspirale, was den oben erwähnten Fatalismus befeuert, denn eigentlich getreu dem Motto "leben und leben lassen" handelnd, ist er der stille Eigenbrötler und mitnichten der aufmüpfige Rebell. Zu dem wird er allerdings insbesondere von Seiten des Dekans stilisiert, der es nicht verstehen kann und will, weshalb Marcus – seiner Meinung nach – seine Religion und Herkunft verleugnet, sich dagegen sträubt, sich in die Gruppe zu fügen (indem er der einzigen jüdischen Studentenverbindung beitritt) und folgerichtig ein gehöriges Einstellungsproblem hat. Allein dieses zentrale, wirklich spektakulär gespielte Gespräch zwischen Dekan Caudwell – mit Präsenz und Charisma von dem theatererfahrenen Tracy Letts (Lady Bird) verkörpert – und dem von Logan Lerman (Vielleicht lieber morgen) kongenial gespielten Marcus ist dabei wegweisend für die Kernthemen des Films, zumal es Letts tatsächlich gelingt, zu vermitteln, der Dekan würde nur in bester Absicht handeln mit seiner bornierten und antiquierten Art. Das gilt im weiteren Verlauf gleichsam für Marcus‘ Mutter (Linda Emond), die zweifelsohne nur das Beste für ihren Sohn im Sinn hat, sich aber dennoch letztlich mit nichts anderem als emotionaler Erpressung mehr zu helfen weiß.

Szenenbild aus Empörung | © Warner Home Video
© Warner Home Video

In diesem ohnehin schon schwierigen und emotional aufgeladenen Spannungsfeld gesellt sich schließlich noch Olivia Hutton hinzu, die von Sarah Gadon (Alias Grace) gleichermaßen fragil wie betörend, schüchtern bis keck in Szene gesetzt wird und den unerfahrenen Marcus nachvollziehbarerweise reizt. Auch hieraus erwächst ein Konflikt, der maßgeblich von der Außenwelt getragen und befeuert wird, denn nicht wenige halten Olivia aufgrund ihrer psychischen Probleme für einen schlechten Umgang für Marcus, während andere sie ohnehin längst als Schlampe abgestempelt haben. In Summe ergibt sich in nicht einmal zwei Stunden Laufzeit ein vielschichtiges und nuanciertes Sittenbild, ein Zeitgeistporträt, vor allem aber eine schier unabwendbare Tragödie, der sich der Protagonist hilflos und ohnmächtig ausgeliefert sieht, ohne das zunächst auch nur zu ahnen. Die Parallelen, die sich beinahe mühelos zum neu aufkeimenden Konservatismus dieser Tage ziehen lassen, machen dabei die schnörkellos gehaltene, aber umso stilsicherer inszenierte Story von Empörung nur umso lohnender.

Fazit & Wertung:

Mit der Verfilmung des gleichnamigen Philip-Roth-Romans Empörung gibt James Schamus ein beeindruckend vielschichtiges Regie-Debüt, das auf den ersten Blick harmlos und ein wenig bieder wirken mag, bei dem es aber unter der Oberfläche gewaltig brodelt, was man insbesondere dem durchweg überzeugenden Ensemble und der gelungenen Drehbuchadaption zu verdanken hat.

8 von 10 gut gemeinten Ratschlägen

Empörung

  • Gut gemeinte Ratschläge - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Mit der Verfilmung des gleichnamigen Philip-Roth-Romans Empörung gibt James Schamus ein beeindruckend vielschichtiges Regie-Debüt, das auf den ersten Blick harmlos und ein wenig bieder wirken mag, bei dem es aber unter der Oberfläche gewaltig brodelt, was man insbesondere dem durchweg überzeugenden Ensemble und der gelungenen Drehbuchadaption zu verdanken hat.

8.0/10
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