Review: Cassandras Traum (Film)

Heut wird es beinahe schon klassisch, denn ich habe endlich einen Allen nachgeholt, der jetzt nun auch schon fast anderthalb Jahrzehnte auf dem Buckel hat.

Cassandras Traum

Cassandra’s Dream, USA 2007, 108 Min.

Cassandras Traum | © Constantin
© Constantin

Regisseur:
Woody Allen
Autor:
Woody Allen

Main-Cast:
Hayley Atwell (Angela Stark)
Colin Farrell (Terry Blaine)
Sally Hawkins (Kate)
Ewan McGregor (Ian Blaine)
Tom Wilkinson (Howard Swann)
in weiteren Rollen:
John Benfield (Brian Blaine)
Phil Davis (Martin Burns)

Genre:
Krimi | Drama | Romantik | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Cassandras Traum | © Constantin
© Constantin

Gleichwohl die Brüder Ian und Terry kaum unterschiedlicher sein könnten, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Während Ian von einer Karriere als Hotel-Investor träumt und sich bereits auf dem Finanzparkett der Welt sieht, verdingt sich Terry als Mechaniker und ist gleichermaßen dem Glücksspiel wie dem Alkohol zugetan. Geeint sind sie aber nicht nur durch ihren neuesten Erwerb, das Segelboot "Cassandra’s Dream", sondern auch durch ihre Geldsorgen. Während Terry seine Kohle schlicht verzockt hat, reitet sich Ian dadurch immer weiter rein, gegenüber seiner neuen Freundin Angela den wohlhabenden Geschäftsmann zu geben, der er gern wäre, aber noch nicht ist. Eine groteske Form von Rettung naht, als sich Onkel Howard zum Besuch ankündigt, der in Amerika zum Millionär geworden ist. Der ist durchaus bereit zu helfen, bittet die Brüder im Gegenzug allerdings ebenfalls um einen Gefallen, der damit zusammenhängt, seinen Geschäftspartner Martin Burns zu beseitigen…

Rezension:

Auf lange Sicht mag es ja eine ganze Reihe an Filmen geben, die man getrost vernachlässigen kann, doch wer sich eben nur ein bisschen für die Filme von Woody Allen begeistern kann – und zu dieser Personengruppe zähle ich mich durchaus – sollte eben auch die älteren oder in diesem Fall mitunter schwächeren Werke des Regisseurs zu würdigen wissen und so habe ich nach einer gefühlten Ewigkeit dann auch endlich einmal bei Cassandras Traum einen Blick riskiert, der anders als die meisten Allen-Filme nicht ins Kino, sondern direkt ins DVD-Regal gewandert ist. In den USA war der Film tatsächlich ein ausgewiesener Flop, was ich mir schon dahingehend nicht erklären kann, dass die beiden Hauptdarsteller doch auch damals schon ausreichend zugkräftig hätten gewesen sein müssen, um ein gewisses Maß an allgemeinem Interesse zu befeuern. Aber sei es drum, haben (fehlender) Erfolg und (stiefmütterliche) Vermarktung leider auch nicht ganz unrecht, denn so richtig rund und richtig gut wird es eben selten, derweil die Story allein schon daran krankt, dass man nach kurzer Zeit schon ahnt, wohin der Hase laufen wird.

Szenenbild aus Cassandras Traum | © Constantin
© Constantin

Das namensgebende Segelboot allein eröffnet einerseits den Reigen, wird andererseits noch eine Schlüsselrolle spielen, ist ansonsten aber selten präsent und offenbart sich damit als pures Mittel zum Zweck, zumal Allen damit auf schnörkellose Weise die von Visionen geplagte Cassandra referenzieren und den Anspruch unterstreichen kann, eine große, griechische Tragödie vor dem Hintergrund der Londoner Arbeiterklasse inszenieren zu wollen. Diesem Anspruch wird Allen aber wirklich nur bedingt gerecht und es mag alles nicht so recht zusammenpassen. Das beginnt schon bei den beiden Brüdern, denen man vieles nicht wirklich abkaufen mag, denn wie Brüder wirken sie in den seltensten Momenten. Überhaupt ist klar, dass Allen in ihrer Gegensätzlichkeit mehr Archetypen inszeniert, als echte Menschen präsentieren möchte, was für sich genommen kaum verwerflich ist, das absehbare Schicksal der beiden aber noch weniger wesentlich wirken lässt. Dafür tanzt der Regisseur und Drehbuchautor hier auf zu vielen Hochzeiten, will einerseits Milieu-Geschichte und Sozial-Drama sein, kokettiert mit Komödie und Tragödie gleichermaßen und versucht über diesen Ansatz, der Working-Class-Krimi-Groteske einen intellektuellen Anstrich zu geben.

Nichtsdestotrotz muss man Cassandras Traum zugutehalten, was so manchen Allen-Film veredelt, nämlich, dass er bei der Besetzung grundsätzlich ein ausgemacht glückliches Händchen besitzt. So überzeugen natürlich Ewan McGregor (Amerikanisches Idyll) und Colin Farrell (The Gentlemen) gleichermaßen, auch wenn ihre konträr angelegten Brüder an manch konzeptionellem Problem kranken, derweil Hayley Atwell (Christopher Robin) damals noch als Newcomerin galt und hier ihre erste Filmrolle ergattert hat. Tom Wilkinson (Dead in a Week) ist dabei als Onkel Howard ein Genuss und hätte gern mehr Screentime spendiert bekommen können, während Sally Hawkins (Shape of Water) als Terrys Verlobte Kate überzeugt. Da irritiert es dann schon, dass eher die Interaktion und Dramaturgie nachrangig Berücksichtigung finden, denn auch wenn der Film sicherlich solide und souverän inszeniert und produziert ist, gab es da von Allen auch schon deutlich Überzeugenderes geboten. Ich für meinen Teil konnte dementsprechend mit den beiden vorangegangenen England-Ausflügen des Filmemachers, also Match Point und Scoop deutlich mehr anfangen, zumal dort Thema und Intention wesentlich besser herausgearbeitet worden sind (meiner Meinung nach).

Szenenbild aus Cassandras Traum | © Constantin
© Constantin

Sehenswert und unterhaltsam bleibt Cassandras Traum dennoch, wobei die Leichtfüßigkeit der Erzählung in Anbetracht der zunehmenden Abgründigkeit des Gezeigten schon irritiert. Hier wäre eine schärfere Abgrenzung zu den komödiantischer angehauchten Werken angebracht gewesen, denn wenn sich die Erzählung hier manches Mal einen skurrilen Witz nicht verkneifen kann, verwässert das leider nur das tendenziell ernste Thema. Das mag beim Dreh so gewollt gewesen sein, doch an der anspruchsvoll-vielgleisigen Konzeption verhebt sich der Film merklich, weil einfach weder Platz, Raum noch Anlass dafür erkennbar sind. Da kann zwar das versammelte Ensemble ein wenig was retten, doch die allgemeine Vorhersehbarkeit, die schablonenhaften Figuren und das im direkten Vergleich zu anderen Woody-Allen-Filmen uninspirierte und wenig scharfzüngige Skript werden dadurch natürlich kaum besser. Kurzweilige Unterhaltung vermag die Chose immerhin aber zu kredenzen, was ja nun auch nicht jeder Film von sich behaupten kann.

Fazit & Wertung:

Woody Allen versucht sich in seinem dritten London-Ausflug Cassandras Traum an einer Erzählung im Stile einer griechischen Tragödie vor dem Hintergrund der Arbeiterklasse, verhebt sich aber merklich beim Austarieren der unterschiedlichen Ansätze und Einflüsse. Ein bestens aufgelegtes Ensemble allerdings verspricht gepaart mit der leichtfüßigen Erzählung Kurzweil und Unterhaltung.

6 von 10 Tragische und trügerische Irrungen

Cassandras Traum

  • Tragische und trügerische Irrungen - 6/10
    6/10

Fazit & Wertung:

Woody Allen versucht sich in seinem dritten London-Ausflug Cassandras Traum an einer Erzählung im Stile einer griechischen Tragödie vor dem Hintergrund der Arbeiterklasse, verhebt sich aber merklich beim Austarieren der unterschiedlichen Ansätze und Einflüsse. Ein bestens aufgelegtes Ensemble allerdings verspricht gepaart mit der leichtfüßigen Erzählung Kurzweil und Unterhaltung.

6.0/10
Leser-Wertung 7/10 (1 Stimmen)
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Cassandras Traum ist am 04.12.08 auf DVD bei Constantin erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

vgw

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