Review: Silent Night – Und morgen sind wir tot (Film)

Bei dem heutigen Film handelt es sich um einen meiner jüngsten – und besten – Spontankäufe, denn auch wenn strittig bleiben mag, inwieweit der Streifen wirklich massentauglich ist, hat er meinen Geschmack doch ziemlich exakt getroffen.

Silent Night
Und morgen sind wir tot

Silent Night, UK 2021, 92 Min.

Silent Night - Und morgen sind wir tot | © Capelight
© Capelight

Regisseurin:
Camille Griffin
Autorin:
Camille Griffin

Main-Cast:
Keira Knightley (Nell)
Matthew Goode (Simon)
Roman Griffin Davis (Art)
Annabelle Wallis (Sandra)
Lily-Rose Depp (Sophie)
in weiteren Rollen:
Sopé Dìrísù (James)
Kirby Howell-Baptiste (Alex)
Lucy Punch (Bella)
Rufus Jones (Tony)

Genre:
Drama | Horror | Komödie

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Silent Night - Und morgen sind wir tot | © Capelight
© Capelight

Gastgeberin Nell erhofft sich viel vom nahenden Weihnachtsfest, wünscht und proklamiert regelrecht, es solle ein "Fest der Liebe und der Wahrheit" werden, vor allem aber – und das wird zunächst tunlichst totgeschwiegen – soll es das letzte Fest sein, denn das unweigerliche Ende naht, da ist man sich sicher und einig. So versuchen Nell und ihr Mann Simon, ebenso wie ihre angereisten Schulfreunde, das Beste aus dem Abend und der Situation zu machen, auch wenn das herannahende Grauen zuweilen auf die Stimmung schlägt. Während sich die Erwachsenen einstweilen mit Streitereien und Alkohol abzulenken beginnen, sind es einzig ihre Kinder, welche die Situation kritisch zu hinterfragen versuchen, wobei sie damit fortwährend auf taube Ohren stoßen, derweil die Zeit dahinstreicht…

Rezension:

Für einen Film, der Silent Night heißt und – wow, was eine Überraschung! – zu Weihnachten spielt, mag ich jetzt vielleicht ein wenig spät dran sein, aber ihn euch deshalb vorenthalten oder ein ganzes Jahr zu warten schien mir dann auch albern, zumal man den Film auch nicht zwangsläufig zu Weihnachten sehen muss und es persönliche Geschmackssache sein dürfte, inwieweit einen das Treiben hier nicht ohnehin runterzieht, denn schließlich wäre da noch der Untertitel Und morgen sind wir tot, dessen Bedeutung und Bewandtnis man nicht unterschätzen sollte. Was es mit der aberwitzigen, zunächst nur unterschwellig mitschwingenden Prämisse genau auf sich hat, soll gar nicht vorweggenommen werden, zumal dies ohnehin eins dieser Werke ist, das man bestmöglich für sich selbst entdeckt und eben nicht gleich weiß, wohin der Hase läuft. Dass es kein gewöhnliches Weihnachtsfest wird, mag offensichtlich sein und dass etwas im Argen liegt, ebenso, doch wie die Anwesenden dazu stehen, wo die Konflikte lauern, wie – und ob – sie sich entladen, das steht alles auf einem anderen Blatt.

Szenenbild aus Silent Night - Und morgen sind wir tot | © Capelight
© Capelight

So ist es schon mehr als schwierig, überhaupt eine Genre-Einordnung für Silent Night zu treffen, denn einen "echten" Horrorfilm sollte man hier mitnichten erwarten, zumal der Grusel beinahe einzig aus der (ausweglosen) Situation erwächst, während der Humor von einer derart spröden, tiefschwarzen, bitterbösen Sorte ist, dass ihn wohl Manche*r nicht einmal als solchen erkennen wird. Wahr ist aber auch, dass es sich im Grunde vornehmlich um ein Drama handelt, nur dass es eben in eine groteske Situation gebettet ist, die das Geschehen übrigens zu einer Art Kammerspiel machen, denn bis auf extrem wenige Ausnahmen spielt sich das gesamte Geschehen auf einem abgeschiedenen Landsitz ab, wo man die letzten Weihnachtstage verbringt. Seine Vielschichtigkeit macht das Spielfilm-Debüt von Camille Griffin dabei gleichermaßen sperrig wie spannend, denn es wird ohne Frage viele geben, die mit dieser Art Horror, Komödie oder eben auch Drama nicht viel werden anfangen können, obwohl gerade das den Reiz ausmacht. Um es mal etwas konkreter zu formulieren: während des Films fühlte ich mich zu gleichen Teilen an Melancholia, Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt und Im August in Osage County erinnert, garniert mit einer Prise The Happening, was jetzt aber nicht abschreckend wirken soll und sich auch nur auf eines der Leitthemen des Films bezieht.

Wer sich davon angesprochen fühlt oder neugierig geworden ist, findet in Silent Night – Und morgen sind wir tot einen ungewöhnlichen bis außergewöhnlichen Streifen, der sich gleichsam brandaktuellen wie existenziellen Themen widmet und hierbei den Generationenkonflikt in den Vordergrund stellt. Und obwohl die Riege an alten Freunden mehr als namhaft besetzt ist und unter anderem Annabelle Wallis (Catch Me!) und Lucy Punch (Eine Reihe betrüblicher Ereignisse) sich hier die Ehre geben, derweil Keira Knightley und Matthew Goode schon Produktionen ganz anderen Kalibers anführen durften (wie etwa gemeinsam Official Secrets), rücken doch mehr und mehr die Kinder in den Vordergrund der Ereignisse, allen voran der von Roman Griffin Davis (Jojo Rabbit) verkörperte Art, der mit feinem Gespür und klugem Gestus die Situation zu hinterfragen beginnt und in Sophie (Lily-Rose Depp , Voyagers) eine unerwartete Verbündete findet. Bei den älteren Semestern hingegen stößt er auf taube Ohren, sind sie immerhin weder schuld an der Situation, noch sehen sie eine Möglichkeit, dem Unentrinnbaren zu entgehen. So plakativ das als Ausgangssituation klingen mag, lauert hier doch so einiges im Subtext, bevor sich zuletzt wieder eine gar bitterböse Absurdität wieder Bahn bricht, die mit einem langsam um sich greifenden Grauen Hand in Hand geht.

Szenenbild aus Silent Night - Und morgen sind wir tot | © Capelight
© Capelight

Drehbuchautorin und Regisseurin Camille Griffin bleibt dabei in ihrer Erzählung bis zuletzt wahnsinnig konsequent und auch fatalistisch, ringt der Situation aber eben auch zahllose bitterzart komische Momente ab, während sich insbesondere die Erwachsenen einerseits in stoischem Gleichmut üben, sich andererseits aber auch immer verzweifelter an ihren Alkohol und die flüchtigen Ablenkungen klammern, die ihnen das Laben noch zu bieten vermag. Das hat oft etwas regelrecht Entrücktes und beinahe Surreales an sich, aber wir haben es eben auch mit einem alles andere als üblichen Weihnachtsfest zu tun, wobei selbst die offensiv fröhliche Weihnachtsbeschallung im Film natürlich der Situation in allen Maßen spottet. Silent Night mag sicher kein Film für große Kinosäle und breites Publikum sein, ist aber ein mehr als außergewöhnlicher, ungemein selbstbewusster Antiweihnachtsfilm, der mich wirklich sehr gut zu unterhalten gewusst hat und der sich neben seinen schwarzhumorigen Einschüben einigen durchaus ernsten – und ernst zu nehmenden – Themen widmet, welche die Abwegigkeit der Situation dann plötzlich gar nicht mehr so groß erscheinen lassen. Da passt es enorm gut zur tragikomischen Note, dass der Film (überwiegend) in den Vorwehen der herannahenden Corona-Krise entstanden ist.

Fazit & Wertung:

Camille Griffin liefert mit Silent Night – Und morgen sind wir tot einen feinsinnigen und unangepassten Film ab, der zwar weder Drama noch Horror noch Komödie sein mag, aber auf kunstvolle Art Versatzstücke all dieser Genres verzahnt und dabei eine gleichsam aktuelle wie universelle Geschichte erzählt. Weitaus mehr schwarzhumoriges Arthouse-Werk als Mainstream-Vertreter, wird diese Produktion dennoch sicherlich ihr Publikum finden.

8 von 10 Vorsätzen für das letzte Weihnachtsfest

Silent Night – Und morgen sind wir tot

  • Vorsätze für das letzte Weihnachtsfest - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Camille Griffin liefert mit Silent Night – Und morgen sind wir tot einen feinsinnigen und unangepassten Film ab, der zwar weder Drama noch Horror noch Komödie sein mag, aber auf kunstvolle Art Versatzstücke all dieser Genres verzahnt und dabei eine gleichsam aktuelle wie universelle Geschichte erzählt. Weitaus mehr schwarzhumoriges Arthouse-Werk als Mainstream-Vertreter, wird diese Produktion dennoch sicherlich ihr Publikum finden.

8.0/10
Leser-Wertung 0/10 (0 Stimmen)
Sende

Silent Night – Und morgen sind wir tot ist am 10.12.21 auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray bei Capelight erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

Sharing is Caring:

Hinterlasse einen Kommentar