Review: Charlie Says (Film)

Kommen wir heute zu einem zwar vielversprechenden, aber doch letztlich enttäuschenden Film, über den ich jüngst unverhofft gestolpert bin.

Charlie Says

Charlie Says, USA 2018, 110 Min.

Charlie Says | © Koch Media
© Koch Media

Regisseurin:
Mary Harron
Autoren:
Guinevere Turner (Drehbuch)
Ed Sanders (Buch-Vorlage)
Karlene Faith (Buch-Vorlage)

Main-Cast:

Hannah Murray (Leslie ‘Lulu’ Van Houten)
Sosie Bacon (Patricia ‘Katie’ Krenwinkel)
Marianne Rendón (Susan ‘Sadie’ Atkins)
Merritt Wever (Karlene Faith)
Suki Waterhouse (Mary Brunner)
Chace Crawford (Tex Watson)
Annabeth Gish (Virginia Carlson)
Matt Smith (Charles Manson)

Genre:
Biografie | Krimi | Drama

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Charlie Says | © Koch Media
© Koch Media

Drei Jahre nach ihrer Beteiligung an den bestialischen Morden an der hochschwangeren Sharon Tate und dem Ehepaar Rosemary und Leno LaBianca befinden sich Lulu, Sadie und Katie in Isolationshaft und verbüßen die ersten Jahre ihrer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die neue Gefängnislehrerin Karlene Faith fühlt sich berufen, zu den Frauen durchzudringen und sie von ihrem verqueren Weltbild abzudringen, das der in deren Augen unfehlbare Charles Manson ihnen eingeimpft hat, stößt dabei jedoch auf reichlich Widerstand. Nichtsdestotrotz beginnen die Frauen zu berichten von ihrer Zeit auf der Ranch und Mansons Ideologie, während Faith in mühevoller Kleinarbeit versucht, den früheren Anführer der Frauen zu entmystifizieren, was sich jedoch als schwieriger erweist als gedacht, denn zu tief ist das verderbte Gedankengut von Manson selbst Jahre danach noch in den Köpfen der Frauen verankert…

Rezension:

Es bedarf wohl kaum einer gesonderten Erwähnung oder Erklärung, dass insbesondere Matt Smith ausschlaggebend dafür gewesen ist, mein Interesse für Charlie Says zu wecken, denn der – längst nicht mehr nur für Doctor Who – bekannte Schauspieler verkörpert hier Charles Manson, soll dem Vernehmen nach in dem Film von Mary Harron (Die Sehnsucht der Falter) aber nur die zweite Geige spielen, denn anders als viele Werke zum Thema widmet sie sich nun dem weiblichen Blick oder grundsätzlich der Sicht der Anhänger von Manson, der hier also im Grunde kaum mehr als polarisierender und exaltierter Statist sein darf. Zumindest in der Theorie, denn auch wenn Harron angestrebt haben mag, drei junge Frauen ins Zentrum der Handlung zu stellen und sich hierfür eines nachgelagerten Plots bedient, der die Frauen Lulu, Sadie und Katie im Gefängnis zeigt, wo die dortige Lehrerin versucht, zu ihnen durchzudringen, widmen sich dann eben doch weite Teile des Geschehens der Zeit auf der Ranch und eben auch Manson, was immerhin dahingehend funktioniert, dass Smith ihn mit erschreckend viel Charisma zu geben weiß und mit allenthalben durchbrechendem Jähzorn eine wahrlich beklemmende Vorstellung abliefert.

Szenenbild aus Charlie Says | © Koch Media
© Koch Media

So sehr aber Smith sich in Pose schmeißt und das Geschehen in den ausufernden Rückblenden dominiert, so wenig erfährt man zu den drei Frauen im Gefängnis, wobei Lulu – dargestellt von der ebenfalls nicht unbekannten Hannah Murray (God Help the Girl) – hier noch ein Stück weit eine Ausnahme bildet. Dennoch kommt man den vermeintlich im Mittelpunkt stehenden kaum nahe und die Szenen im Gefängnis sind auf das Nötigste reduziert, dienen im Grunde nur als Überleitung für relativ zusammenhanglose Szenen aus dem Leben auf der Ranch, bei der es sich übrigens um dasselbe Set handelt, das Tarantino in Once Upon a Time in Hollywood genutzt hat, derweil er ansonsten natürlich einen ganz anderen Ansatz gewählt hat. Dennoch gelingt es Harron zumindest, die beklemmende und zunehmend von Zwang und Drangsalierung geprägte Atmosphäre einzufangen, nur liefert sie damit eben nichts Neues, Unerwartetes, sondern rollt lediglich eine weithin bekannte Geschichte neu auf, die eben ansonsten daran krankt, reichlich episodisch abzulaufen. So vermag Charlie Says im Detail zu überzeugen, kommt aber im Großen und Ganzen nicht wirklich zum Punkt, so dass ich als Zuschauer auch nicht habe erkennen können, wo sich jetzt die Wandlung in der Mentalität der Frauen abspielt, die letztlich zu spät und zu sprunghaft kommt, quasi so, als würde das Skript dies jetzt einfach zu diesem Zeitpunkt verlangen.

Ansonsten tummeln sich noch eine Handvoll weiterer mehr oder minder bekannter Gestalten in dem Streifen, dienen im weitesten Sinne aber mehr als Staffage, was beispielsweise auch für Chace Crawford (The Boys) gilt, dessen Tex Watson im Grunde erst dann vermehrt in den Fokus rückt, wenn seine Figur für die Geschichte von Belang wird, was nicht gerade für elegantes Storytelling spricht. Leider kaum minder enttäuschend ist derweil der Abschluss des Ganzen geraten, was insofern verwundert, dass es nun mitnichten Harrons erster Film ist, doch soweit ich das überblicken kann, hat sie eben nach dem 2000 entstandenen American Psycho nie wieder auch nur annähernd dessen Klasse erreicht. Und obwohl Charlie Says nicht ganz zwei Stunden Laufzeit umfasst, wirkt er am Ende doch sowohl beim Gefängnis- als auch Ranch-Plot verkappt, denn während die Gespräche mit Gefängnislehrerin Karlene Faith (Merritt Wever, Marriage Story) mehr Zeit und pointiertere Dialoge hätten vertragen können, fehlen den Episoden aus dem Wirken von Manson das verbindende Element. So werden beispielsweise auch Charles Mansons musikalische Ambitionen thematisiert, nur mag man sich fragen, inwieweit diese Geschichte für die drei Frauen so erzählenswert gewesen ist, sie in diesem Kontext zum Besten zu geben. Denn das ist es schließlich, was die Rückblendenstruktur einem suggeriert, nämlich, dass die Ereignisse aus Sicht von Lulu, Katie und Sadie resümiert werden, was allerdings auch nicht immer funktioniert, wenn sie teils überhaupt nicht zugegen gewesen sind.

Szenenbild aus Charlie Says | © Koch Media
© Koch Media

Schade also, dass ein so vielversprechender und interessanter Ansatz in so vielen Punkten nicht wirklich zu Ende gedacht worden scheint, zumal Matt Smith eben auch so sehr überzeugt und in einem anders ausgerichteten Film eine richtig gute Figur gemacht hätte. Entsprechend bleibt bei Charlie Says vieles auf der Strecke und die Erzählung wirkt merkwürdig unfertig, während ich mir sehr gewünscht hätte, dem Streifen mehr abgewinnen zu können. Es bleibt aber bei Harrons hehren Absichten, so dass man nicht behaupten könnte, sie würde mit ihrem Beitrag Substanzielles zu dem nunmehr üppigen Sujet an Charles-Manson-Verfilmungen hinzufügen. Und obwohl Smiths Interpretation für sich genommen sehenswert sein mag, muss man nun für sich abwägen, ob die allein es lohnt, gleich zwei Stunden an Lebenszeit zu inszenieren, denn der Rest kommt leider über solide inszeniertes Mittelmaß nicht hinaus.

Fazit & Wertung:

Mary Harron versucht sich mit Charlie Says an einem neuen Blick auf die Manson-Family und -Morde, findet aber weder einen richtigen Fokus, noch vermag sie die Gedanken und Gefühle ihrer Protagonistinnen erfahrbar zu machen, die doch angeblich im Zentrum der Erzählung stehen sollen. Durchweg überzeugend ist einzig Matt Smith als charismatisches Oberhaupt der Ranch, nur rettet er dadurch kaum einen ansonsten sehr mittelmäßigen Film.

5 von 10 verqueren Ansichten eines meisterhaften Manipulators

Charlie Says

  • Verquere Ansichten eines meisterhaften Manipulators - 5/10
    5/10

Fazit & Wertung:

Mary Harron versucht sich mit Charlie Says an einem neuen Blick auf die Manson-Family und -Morde, findet aber weder einen richtigen Fokus, noch vermag sie die Gedanken und Gefühle ihrer Protagonistinnen erfahrbar zu machen, die doch angeblich im Zentrum der Erzählung stehen sollen. Durchweg überzeugend ist einzig Matt Smith als charismatisches Oberhaupt der Ranch, nur rettet er dadurch kaum einen ansonsten sehr mittelmäßigen Film.

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Charlie Says ist am 24.10.19 auf DVD und Blu-ray bei Koch Media erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

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vgw

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