Review: Uncle Frank (Film)

Kommen wir heute zu dem Film, über den zu berichten mir vergangene Woche Freitag Zeit und Muße gefehlt haben, denn er ist es definitiv wert, dass man darüber schreibt, auch wenn es ihn bereits seit beinahe drei Monaten bei Amazon Prime anzuschauen gibt, ich also im Grunde wieder ein bisschen spät zur Party bin.

Uncle Frank

Uncle Frank, USA 2020, 95 Min.

Uncle Frank | © Amazon Studios
© Amazon Studios

Regisseur:
Alan Ball
Autor:
Alan Ball

Main-Cast:

Paul Bettany (Frank)
Sophia Lillis (Beth)
Peter Macdissi (Wally)
Judy Greer (Kitty)
Steve Zahn (Mike)
Lois Smith (Aunt Butch)
Margo Martindale (Mammaw)
Stephen Root (Daddy Mac)

Genre:
Komödie | Drama

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Uncle Frank | © Amazon Studios
© Amazon Studios

Schon von Kindesbeinen an hat Beth zu ihrem Onkel Frank aufgesehen, der im Gegensatz zum Rest ihrer Familie so einfühlsam, so verständnisvoll, weltmännisch, belesen und selbstsicher wirkt, zumal er als einziger die ländlichen Südstaaten hinter sich gelassen hat und nach New York gezogen ist, wo er als Literaturprofessor tätig ist und ein erfülltes Leben führt. Auch als Teenagerin noch schätzt Beth den Austausch mit Frank sehr, doch fällt ihr auch immer öfter auf, dass er von den anderen Familienmitgliedern oftmals geschnitten oder gemieden wird, was auch erklärt, dass seine Besuche in der alten Heimat allzu spärlich ausfallen. Nichtsdestotrotz ist er es auch, der insistiert, dass Beth ihren Traum verfolgen müsse und so zieht sie 1973 ebenfalls nach New York, um dort zu studieren. Dort angekommen, dauert es aber nicht allzu lange, bis Beth das große Geheimnis von Onkel Frank lüftet, denn der lebt seit Jahren glücklich mit seinem Partner Walid, was er seit Jahren geheim hält, zumal er ein ohnehin schon angespanntes, im Grunde kaum vorhandenes Verhältnis zu seinem eigenen Vater hat. Als der aber stirbt, lässt Frank sich von Beth widerwillig dazu überreden, für die Beerdigung heimzukehren, auch wenn das für ihn bedeutet, sich den Dämonen seiner Kindheit und Jugend stellen zu müssen…

Rezension:

In den vergangenen Jahren war es vergleichsweise ruhig um Alan Ball, der als Drehbuchautor von American Beauty früh von sich reden machte und in weiterer Folge maßgeblich an den HBO-Serien Six Feet Under, True Blood sowie Banshee beteiligt gewesen ist. Im Januar 2020 feierte derweil sein neuer Film Uncle Frank beim Sundance Film Festival Premiere und kurz darauf sicherte sich Amazon die Distributionsrechte, was zwar das Label "Amazon Original" ein wenig wie eine Mogelpackung wirken lässt, aber nichts daran ändert, dass Ball ein weiteres Mal ein ungemein feinfühliges und emotionales Drama gelungen ist. Das ist nicht unbedingt autobiografischer Natur, kündigt aber von einigen Parallelen oder zumindest Inspirationen, wenn er aus Sicht von Nichte Beth die Geschichte ihres namensgebenden Onkel Frank in den US-amerikanischen Südstaaten der 1970er erzählt. Ungemein nuanciert, mit klassischem Off-Kommentar unterlegt, bringt er – beziehungsweise Beth – dem Zuschauer seinen Protagonisten näher, der sich zunächst in auffälliger Zurückhaltung übt, was ganz im Sinne des ruhig, leise und sich langsam hochschraubenden Storytelling liegt, das Ball in Personalunion als Regisseur und Autor hier zum Besten gibt.

Szenenbild aus Uncle Frank | © Amazon Studios
© Amazon Studios

Dass ihm ein leises Drama vorschwebt, merkt man dann auch an der zurückhaltenden Interpretation der 70er, die oft und gern in knallig bunten Farben daherkommen, hier aber ebenfalls zurückhaltender und farbentsättigter in Szene gesetzt werden, was sowohl zum Charme der ländlichen Pittoreske als auch der Erzählung passt, schließlich wird hier nicht von den Anfängen der Disco-Ära berichtet, sondern von einem Mann, der sich selbst mit Mitte 40 nicht traut, seiner eigenen Familie den persönlichen Lebensentwurf und seine Homosexualität zu eröffnen aus Furcht, man könne ihn endgültig und unumkehrbar verstoßen. Das gibt einem zu denken und zu knabbern, zumal der Umstand, dass Ball seine Geschichte in einem vergangenen Jahrzehnt verortet, Uncle Frank mitnichten an Aktualität einbüßen lässt. So erlebt man aus Beth‘ Sicht zunächst einen verfremdeten, hochstilisierten, auf ein Podest gestellten Onkel Frank, dessen Auftreten und Fassade erst Risse bekommt, als sie selbst zu ihm nach New York reist und ihn in seiner natürlichen Umgebung – und vor allem gemeinsam mit seinem Partner Walid – erlebt. Dient das erste Drittel also im Grunde nur dazu, die Figuren und Eckdaten der Story in Stellung zu bringen, geht es in weiterer Folge ans eingemachte und vor dem Hintergrund der anstehenden Beerdigung muss Beth langsam erkennen, dass ihr Onkel mitnichten so unfehlbar, mutig und selbstbewusst ist, wie sie das immer dachte, ohne dass hierdurch ihr Respekt für ihn leiden würde.

Das sind dann auch die Momente, in denen Paul Bettany (Manhunt: Unabomber) wahrhaft zu glänzen beginnt, denn während er anfänglich quasi nur ein Utensil in Beth‘ Schilderungen darstellt, erfährt man Frank zunehmend als Menschen, der zudem früh Grausames zu verarbeiten hatte und nur mit lieber Mühe die Vergangenheit aus seinem täglichen Leben herauszuhalten vermag. Die von Sophia Lillis (I Am Not Okay With This) verkörperte Beth hat also einiges zu verarbeiten, zumal sehr schön in Szene gesetzt ist, wie unerfahren und naiv sie in vielerlei Hinsicht noch ist, was sicherlich auch an der Borniertheit ihrer Familie liegen mag, in der alternative Lebensentwürfe und überhaupt alles, was von der Norm abweicht, schlichtweg nicht existieren, sprich, totgeschwiegen werden. Entsprechend passt auch Franks Lebenspartner Walid – Wally genannt – absolut nicht in deren Weltbild, wird derweil ungemein sympathisch und liebenswert von Peter Macdissi verkörpert, hat als Muslim aber freilich nicht weniger darunter zu leiden, seiner Familie niemals die Wahrheit erzählen zu können, zumal das in seiner Heimat tatsächlich noch weitaus drastischere Folgen hätte als bei der bornierten Südstaaten-Sippschaft. Dennoch wird es wenig überraschen, dass es letztlich zu einer Annäherung und Aussöhnung kommen wird, kündet davon schließlich schon die Art der Inszenierung, zumal es eben Franks eigener Vater gewesen ist, der ihm signalisiert hat, "so etwas" in seiner Familie nicht zu dulden.

Szenenbild aus Uncle Frank | © Amazon Studios
© Amazon Studios

So kommt Uncle Frank nicht nur mit berührender Botschaft, sondern auch wahnsinnig authentischen Figuren daher, die man unmittelbar ins Herz schließt, gleichwohl Bettany noch einmal spürbar aus dem Cast herausragt, der noch von einigen namhaften DarstellerInnen ergänzt wird, auch wenn der Fokus auf dem ungleichen Dreiergespann liegen mag. Das melancholische Flair und die ausgewiesene Indie-attitüde des Gezeigten tun hierbei ihr Übriges, um aus dem Film die anrührende und zuweilen schmerzhafte Variante eines Feel-Good-Movie zu machen, dessen sonnendurchflutete Südstaaten-Gärten zwar von einer unterschwelligen Ablehnung und Engstirnigkeit künden, aber eben auch auf einer Hoffnung spendenden Note enden, was zwar oftmals nicht der Realität entsprechen mag, hier aber genau den gelungenen Abschluss bildet, den man Frank vom ersten Moment an herbeiwünscht, denn ungeachtet dessen, dass Beth‘ verklärte Weltsicht auf ihn bei näherer Betrachtung zunehmend Risse und Makel bekommt, macht ihn das nur menschlicher und damit auch Alan Balls Erzählung, die auf ganzer Linie überzeugt.

Fazit & Wertung:

Alan Ball inszeniert in Uncle Frank ein in den 1970ern verortetes, melancholisch gefärbtes Charakterdrama mit Roadmovie-Anleihen, das den homosexuellen Literaturprofessor Frank auf seinem Weg begleitet, mit dem oft schwierigen Verhältnis zu seinem Vater auf dessen Beerdigung abzuschließen, was insbesondere Paul Bettany brillieren lässt, in seiner Gesamtheit aber auch schlichtweg eine berührende Geschichte erzählt.

8 von 10 Geheimnissen im Leben von Onkel Frank

Uncle Frank

  • Geheimnisse im Leben von Onkel Frank - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Alan Ball inszeniert in Uncle Frank ein in den 1970ern verortetes, melancholisch gefärbtes Charakterdrama mit Roadmovie-Anleihen, das den homosexuellen Literaturprofessor Frank auf seinem Weg begleitet, mit dem oft schwierigen Verhältnis zu seinem Vater auf dessen Beerdigung abzuschließen, was insbesondere Paul Bettany brillieren lässt, in seiner Gesamtheit aber auch schlichtweg eine berührende Geschichte erzählt.

8.0/10
Leser-Wertung 8/10 (1 Stimmen)
Sende

Uncle Frank ist seit dem 25.11.2020 exklusiv bei Amazon Prime Instant Video verfügbar.


vgw

Sharing is Caring:

Hinterlasse einen Kommentar