Zum Glück ist so ein Samstagabend ja was länger, da macht es dann nicht so viel, wenn ich mal etwas später mit meiner Serien-Kritik ums Eck komme, die ich natürlich auch heute wieder gern kredenze.
Black Mirror
Staffel 1
Black Mirror, UK 2011-, ca. 52 Min. je Folge
© Channel 4
Charlie Brooker
Annabel Jones
Charlie Brooker
Otto Bathurst
Euros Lyn
Brian Welsh
Charlie Brooker
Konnie Huq
Jesse Armstrong
Rory Kinnear (Michael Callow)
Lindsay Duncan (Alex Cairns)
Donald Sumpter (Julian Hereford)
Episode 3
Toby Kebbell (Liam)
Jodie Whittaker (Ffion)
Tom Cullen (Jonas)
Daniel Kaluuya (Bingham ‘Bing’ Madsen)
Jessica Brown Findlay (Abi Khan)
Rupert Everett (Judge Hope)
Science-Fiction | Drama | Thriller
Trailer:
Inhalt:
Der Wille des Volkes
© Channel 4
Michael Callow, Premierminister von Großbritannien, sieht sich mit einem persönlichen wie politischen Dilemma konfrontiert, als Prinzessin Susannah aus der Königsfamilie entführt wird, denn die Forderung zur Freilassung der Adligen beinhaltet nichts weniger, als dass sich der Premierminister beim Sex mit einem Schwein filmen und dies live im britischen Fernsehen ausstrahlen lässt. Natürlich verweigert sich Callow dem vehement und versucht, die Forderung der Entführer unter Verschluss zu halten, doch letztlich sickert die Geschichte durch und obgleich Presse und Bevölkerung zunächst auf seiner Seite stehen, kippt die öffentliche Meinung, nachdem ein abgetrennter Finger bei einem Nachrichtensender eintrifft…
Das Leben als Spiel
In der Zukunft ist das Leben gekennzeichnet von Eintönigkeit und digitalem Konsum. Um Guthaben für die Apps, Unterhaltungssendungen oder neue Skins für den eigenen Avatar zu verdienen, strampelt sich die Gesellschaft tagtäglich auf dem Laufband ab und sammelt Credits, die wiederum durch den eigenen Konsum, der im eigenen, rundherum aus Bildschirmen bestehenden Zimmer noch auf die Spitze getrieben wird, stetig aufgezehrt werden. Wer nicht fit ist und nicht mithalten kann, wird degradiert und verspottet, derweil einer der wenigen Auswege aus der täglichen Tretmühle die Teilnahme an der Castingshow "Hot Shots" ist, die Ruhm und Reichtum verspricht. Auch Abi träumt davon, bei dieser Show anzutreten und Bing, von ihrem Gesangstalent überzeugt, überweist ihr bereitwillig das Guthaben für die Teilnahme, nur, dass ihr Auftritt dort mitnichten so abläuft, wie er oder sie es sich vorgestellt haben…
Das transparente Ich
Mithilfe eines Implantats im eigenen Kopf hat jede Person jederzeit Zugriff auf jedes Ereignis, dem sie beigewohnt hat. Jedwede Erinnerung kann jederzeit auf die Augen projiziert oder auf externen Bildschirmen dargestellt werden. Als die Eheleute Liam und Ffion nach einem geselligen Abend im Kreis von Freunden und Bekannten aus Höflichkeit noch den charmanten Jonas zu sich einlädt, meint Liam gewisse Blicke seiner Frau registriert zu haben und erkundigt sich, woher er den Mann kennen könnte. Daheim angekommen, entschuldigen sich Ffion und Liam, schicken Jonas unter einem Vorwand weg und verbringen den Abend allein, doch die Geschichte nagt an Liam und sein Drängen entlockt schließlich Ffion die Offenbarung, dass es sich bei Jonas um einen früheren Liebhaber handelt. Liam lässt der Gedanke nicht los, dass Jonas jeden Moment, jede Begegnung jederzeit Revue passieren lassen kann und steigert sich zunehmend in seine Eifersucht, zumal die Rückblicke auf die Party ihn in seiner Annahme bestärken, dass Ffion sich noch immer zu Jonas hingezogen fühlt…
Rezension:
Lange schon hatte ich ja damit geliebäugelt, mir die mittlerweile von Netflix übernommene, ursprünglich aber von Channel 4 produzierte Anthologie-Serie Black Mirror einmal näher anzusehen, doch irgendwie haben wir bislang nie zueinander gefunden, was sich nun zum Glück zumindest im Hinblick auf die erste, immerhin auch nur lediglich drei Episoden umfassende Staffel geändert hat. Nach nunmehr fünf produzierten Staffeln mit wechselnder Episodenzahl und dem interaktiven Bandersnatch muss ich freilich niemanden mehr über die Qualitäten der Serie belehren, habe sie nun aber eben auch für mich entdeckt und bin weitestgehend begeistert von den satirischen bis zynischen Untertönen, die einer jeden Folge – mehr oder minder ausgeprägt – innewohnen, die sich auf unterschiedlichste Art und mit dystopisch geprägter Herangehensweise an teils erschreckenden Zukunftsvisionen versuchen. Gleich die erste Episode Der Wille des Volkes (1.01) – meines Erachtens nicht ganz so clever gewählt als Auftakt für eine Science-Fiction-Serie – macht aber deutlich, dass sich die Ansätze der Serie mitnichten auf eine nicht näher bezeichnete Zukunft beschränken, denn die mit Rory Kinnear (Das Gesetz der Familie) als Premierminister Callow hochkarätig besetzte Episode ist voll und ganz im Hier und Jetzt verankert und widmet sich auf erfrischend perfide Weise den bereits existenten Gefahren der Neuen Medien. Wie sich das für eine Satire gehört, sind die Ereignisse hier natürlich dramaturgisch überhöht, wissen aber trotzdem zu überzeugen, auch wenn ich sie nach persönlichem Empfinden tatsächlich als schwächste Folge der Staffel empfunden habe.
© Channel 4
Was sich an Erwartungshaltung vor der ersten Episode bereits aufgebaut hat, wird dann aber immerhin mit der zweiten Episode Das Leben als Spiel (1.02) vollends eingelöst, denn hier verschlägt es uns tatsächlich in eine undefinierte Zukunft, die dystopischer kaum sein könnte, denn so etwas wie Außenwelt und Natur scheinen die Mitglieder der hier skizzierten Gesellschaft überhaupt nicht mehr zu kennen, während sie sich, wenn auch quasi gezwungenermaßen, 24/7 von den allgegenwärtigen Bildschirmen berieseln lassen, wobei die Qualität – Fatshaming, Infantilen-Humor, Pornografie – unmittelbare Rückschlüsse auf die Gesellschaft zulässt. Die reduzierte Kulisse trägt dabei zu einer beklemmend kammerspielartigen Atmosphäre bei und es spricht für das Skript, dass kaum Aussagen darüber getroffen werden, ob noch etwas außerhalb dieser Blase, dieses Mikrokosmos existiert, der das persönliche Leben definiert. Dabei hätte es das tagtägliche Abstrampeln auf Fitnessgeräten und Laufbändern nicht einmal gebraucht, um Assoziationen an einen Hamster im Laufrad zu wecken, doch macht das die Analogie nicht weniger gelungen, zumal sich auch hier – digitale Währung gegen digitale, im Grunde unnütze Produkte – spielend Parallelelen zur heutigen Zeit ziehen lassen. Ähnliches gilt für die schier omnipräsente Casting-Show "Hot-Shots", die im Grunde beinahe eins zu eins auch im heutigen Fernsehen zu sehen könnte, wenn nicht die nur aus Avataren bestehende Zuschauerschaft wäre.
Sowohl Daniel Kaluuya (The Fades) als auch Jessica Brown Findlay (Victor Frankenstein) wissen hier zu brillieren und geben eine beinahe schon verbotene Freundschaft zum Besten, denn in dieser Zukunft finden selbst zwischenmenschliche Kontakte eigentlich nur noch über den eigenen Avatar und somit stellvertretend statt, während sie beide von der Hoffnung auf ein besseres Leben angetrieben werden, was im Kontext der Erzählung beinahe unweigerlich zu spottendem Zynismus verleitet, der insbesondere durch den ebenfalls beteiligten Rupert Everett (In guten Händen) als Jury-Mitglied bei "Hot Shots" transportiert wird. Zuletzt wäre dann noch die ebenfalls fatalistisch gehaltene Episode Das transparente Ich (1.03), die sich inszenatorisch wie eine Mischung aus den ersten beiden Folgen anfühlt und entweder in einer Parallelwelt oder zumindest nahen Zukunft verortet werden könnte, denn im Grunde ist alles wie bei uns, mit dem feinen Unterschied, dass ein jeder ein Implantat besitz, dass die eigenen Erfahrungen und Erinnerungen aufzeichnet, abspeichert und archiviert, so dass man jederzeit und überall darauf zugreifen kann.
© Channel 4
Was sich zunächst nach schöner neuer Welt anhört und sicherlich auch Vorteile mit sich bringen mag, ist hier ausschlaggebend für ein zunehmend drastischere Ausmaße annehmendes Beziehungs-Drama, denn wer alles speichert, was er erlebt, kann auch Jahre später noch auf jede einzelne Liebesnacht zurückgreifen, womit der von Tom Cullen verkörperte Jonas bei einer Party prahlt, derweil Protagonist Liam (Toby Kebbell, Destroyer) alsbald erfährt, dass ebenjener Jonas eine Affäre mit seiner Frau gehabt hat. Die wiederum wird verkörpert von der mittlerweile als erster weiblicher Doctor Who bekannten Jodie Whittaker (Broadchurch) und obgleich die Geschichte deutlich stringenter und nicht so dystopisch daherkommt, der technische Fortschritt quasi auch nur ein vorhandenes Problem verstärkt, statt es zu bedingen, hat mir auch diese Episode ungemein gefallen, was hier aber mehr an der ausdrucksstarken Darstellung seitens Kebbell und Whittaker liegt, zumal auch hier einige verstörende Szenen gelingen, wie sich ein solches Implantat auf das eigene Leben auswirken würde. So kann ich mit der Erkenntnis schließen, dass es diesmal sicher nicht halb so lange dauern wird, bis ich auch der zweiten Staffel Black Mirror eine Chance geben, denn diese drei Geschichten haben mich definitiv angefixt, erfahren zu wollen, was den wechselnden AutorInnen noch alles einfallen wird für diese jetzt schon thematisch vielfältige und breit aufgestellte Anthologie-Reihe.
Black Mirror | Staffel 1
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Dystopische Ideen einer erschreckenden Zukunft - 8/10
8/10
Fazit & Wertung:
Bereits die erste Staffel Black Mirror wartet mit drei mehr als abwechslungsreichen, vor allem aber abgründigen und zynischen Geschichten auf, die erahnen lassen, was mit diesem Format noch alles möglich sein wird, weshalb ich es kaum erwarten kann, mir alsbald weitere Episoden dieser gelungenen Gesellschaftssatire mit Science-Fiction-Anstrich zu Gemüte zu führen.
Episodenübersicht: Staffel 1
01. Der Wille des Volkes (7,5/10)
02. Das Leben als Spiel (8/10)
03. Das transparente Ich (8/10)
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Black Mirror | Staffel 1 ist exklusiv bei Netflix verfügbar.