Review: Black Mirror | Staffel 2 (Serie)

Kommen wir heute mal zu der zweiten Staffel dieser durchaus kultverdächtigen Anthologie-Serie, mit der ich nun auch endlich wieder einen Schritt weitergekommen bin, nachdem ich sie zuvor jahrelang sträflich ignoriert hatte.

Black Mirror
Staffel 2

Black Mirror, UK 2011-, ca. 45 Min. je Folge

Black Mirror | © Channel 4
© Channel 4

Serienschöpfer:
Charlie Brooker
Showrunner:
Annabel Jones
Charlie Brooker

Regisseure:
Owen Harris
Carl Tibbetts
Bryn Higgins
Autor:
Charlie Brooker

Main-Cast:

Episode 1
Hayley Atwell (Martha)
Domhnall Gleeson (Ash)
 
Episode 3
Daniel Rigby (Jamie Salter)
Chloe Pirrie (Gwendolyn Harris)
Jason Flemyng (Jack Napier)
Tobias Menzies (Liam Monroe)
 
Episode 2
Lenora Crichlow (Victoria Skillane)
Michael Smiley (Baxter)
Tuppence Middleton (Jem)
Special
Jon Hamm (Matt)
Rafe Spall (Potter)
Oona Chaplin (Greta)
Natalia Tena (Jennifer)
Janet Montgomery (Beth)

Genre:
Science-Fiction | Drama | Thriller

Trailer:

 

Inhalt:

Wiedergänger

Martha und Ash leben gemeinsam abgeschieden auf dem Land und entsprechend ist Martha ganz auf sich allein gestellt, als Ash bei einem Autounfall stirbt. Eine Freundin erzählt ihr von einem Service, der es ihr ermöglichen soll, mit einem Imitat ihres Mannes zu kommunizieren, das auf den Online-Aktivitäten des Verstorbenen basiert, doch Martha will davon zunächst nichts hören. Als sie aber erfährt, schwanger zu sein, und niemanden sonst zum Reden hat, gibt sie dem Dienst letztlich eine Chance. Was sich anfänglich befremdlich anfühlt, nimmt immer gravierendere Ausmaße an, zumal es eine Art Premium-Paket gibt, bei dem ihr ein ganzer künstlicher Mensch zur Seite gestellt wird, doch ob ein noch so ausgeklügelter Algorithmus einen echten Menschen ersetzen kann, bleibt abzuwarten…

Böse Neue Welt

Szenenbild aus Black Mirror | © Channel 4
© Channel 4

Eine Frau erwacht und erinnert sich an nichts und niemanden. Zwar schießen ihr zuweilen zusammenhanglose Erinnerungsfetzen durch den Kopf, doch ansonsten ist da nichts, was ihre Situation erklären würde. Wirken die Straßen beim Verlassen des Hauses zunächst wie verwaist, findet sie sich alsbald in einer regelrechten Hetzjagd wieder, als ein bewaffneter Maskierter die Verfolgung aufnimmt. Weit irritierender ist allerdings, dass den Passanten nichts Besseres einfällt, als das Ereignis mit dem Handy zu filmen, anstatt ihr zu helfen. Auf der Flucht begegnet sie allerdings einer weiteren Frau, die völlig perplex ist, dass sie nicht mit der neuen Ordnung vertraut ist, in der sich grob jeder Zehnte zum Jäger aufschwingt, während die meisten zu sensationsgierigen Gaffern geworden sind. Noch immer völlig perplex, schließt sie sich zunächst der Unbekannten an, die einen Plan hat, diesen Irrsinn zu stoppen. Doch bliebe da noch die Frage nach ihrer Identität und vor allem, wie und warum all das hat passieren können…

Die Waldo-Kandidatur

Jamie Salter ist die Stimme des garstigen Cartoon-Bären Waldo, der mit reichlich unflätigem Witz und Zoten die Sympathie des Publikums genießt. Als der sich einen Schlagabtausch mit Lokalpolitiker Liam Monroe liefert, kommt Produzent Napier auf die Idee, Waldo im Wahlkampf antreten zu lassen, um die Popularität der Figur noch zu erhöhen. Salter will davon nichts wissen und hat auch mit Politik nichts am Hut, doch ist Napier überzeugt, dass er weder Argumente noch einen Standpunkt bräuchte, um sich zu positionieren. Damit scheint er Recht zu behalten und tatsächlich gewinnt Waldo zunehmend die Gunst der Wähler, auch wenn Gegenkandidat Monroe versucht, Salter zu diskreditieren und in die Öffentlichkeit zu zerren. Salter wird die Sache allerdings zunehmend unangenehm, doch als er droht, seinen Job hinzuschmeißen, deutet Napier an, auch selbst in die Rolle von Waldo schlüpfen zu können, um die Sache durchzuziehen…

Weiße Weihnacht

Matt und Joe – seit fünf Jahren miteinander bekannt – treffen sich zu Weihnachten in der Küche einer verschneiten Hütte und Matt versucht den schweigsamen Joe nach all der Zeit darüber auszufragen, wie es ihn dorthin verschlagen hat. Um sein Vertrauen zu erringen, erzählt Matt zunächst davon, wie er als eine Art Coach schüchternen Männern beim Dating geholfen und durch dessen Augen das Geschehen mitverfolgt hat. Die Schilderungen nehmen zwar ein überraschendes wie schockierendes Ende, aber Joes Interesse ist geweckt und er lässt Matt davon erzählen, was fernab dieses "Hobbys" sein eigentlicher Job ist. Schlussendlich fühlt sich auch Joe bereit, die Geschichte von ihm und seiner Freundin Beth zu erzählen, die allerdings ein unrühmliches Ende genommen hat…

Rezension:

Schlappe zweieinhalb Monate nach der ersten Staffel habe ich nun auch die zweite Zusammenstellung an Black Mirror-Episoden in Augenschein nehmen können und bin ungebrochen angetan von dem Anthologie-Konzept der Show, zumal es hier als Bonus noch ein mehr als gelungenes Weihnachts-Special gibt, das die vorangegangen Episoden tatsächlich auch noch referenziert, wodurch alles noch mehr als im ersten Jahr wie aus einem Guss wirkt, obwohl die Geschichten sich freilich allesamt unterschiedlichsten Begebenheiten widmen. An Abwechslung mangelt es also nicht, derweil natürlich auch hier wieder einzelne Storys mal mehr, mal weniger gelungen sind und von dramatisch zu nervenaufreibend zu satirisch tendieren. Wie man es aber auch bereits aus der ersten Staffel gewohnt ist, kommen die einzelnen Episoden zudem mehr oder minder hochkarätig besetzt daher und gleich in der ersten Episode darf man somit Hayley Atwell (Christopher Robin) und Domhnall Gleeson (Barry Seal) als Paar erleben, auch wenn ein Autounfall das Glück jäh zu einem zunächst endgültigen Ende bringt.

Szenenbild aus Black Mirror | © Channel 4
© Channel 4

Als die von Atwell verkörperte Martha in Wiedergänger (2.01) dann davon erfährt, mittels App Verbindung zum verstorbenen Ash aufnehmen zu können, ist der weitere Fortgang der Story zwar in groben Zügen bereits vorherzusehen, doch die einfühlsame, gleichsam oft verstörende Inszenierung macht diesen Umstand mehr als wett. So kommuniziert Martha zunächst schriftlich mit dem vermeintlichen Ash, dessen Wesen, Persönlichkeit und Ausdrucksweise auf den akribisch durchforsteten Einträgen in den Sozialen Medien seinerseits fußt, doch gibt es freilich noch eine Steigerung, nämlich, mit dem Verschiedenen telefonieren zu können, was die trauernde Frau natürlich prompt vereinnahmt, bevor ihr das Programm von einem noch eher experimentellen Feature berichtet. Ab hier wird es dann auch tatsächlich zunehmend verstörend, derweil die gesamte Story von einer gewissen Melancholie durchzogen ist und Atwell eine großartige, weil feinfühlige und nuancierte Performance abliefert. Gleeson hat im Umkehrschluss den vielleicht geringfügig leichteren Part, überzeugt aber ebenso auf ganzer Linie, derweil die Episode durchaus eine der leisen Töne ist, wenn man von manchem Gefühlsausbruch einmal absieht und – wie von Black Mirror bereits gewohnt – auf einer eher düsteren, fatalistischen Note endet.

Wem das alles zu getragen, zu ruhig, zu tragisch gewesen ist, der wird sich wiederum vielleicht besser mit Böse neue Welt (2.02) bedient fühlen, in der Lenora Crishlow die Hauptrolle übernimmt und als zunächst namenlose Protagonistin ohne Erinnerung erwacht und sich in einer – sicherlich den deutschen Episodentitel inspirierenden – bösen neuen Welt zurechtfinden, in der sich ihr sogenannte Jäger prompt an die Fersen heften und ihr nach dem Leben trachten, während ein Großteil der Bevölkerung nichts Besseres zu tun hat, als schmunzelnd mit dem Handy draufzuhalten, während sie um ihr Leben rennt. Die Story, ein Signal habe dazu geführt, dass die Menschen sich samt und sonders verändert haben und sich nun zu einem Zehntel in Jäger, zu neun Zehnteln in Gaffer und Voyeure aufteilen ließen, wirkt natürlich zunächst ziemlich plakativ und so, als würde Autor Charlie Brooker – der übrigens diesmal für sämtliche Drehbücher verantwortlich zeichnet – mit der Nase drauf stoßen wollen, aber zum Glück verbirgt sich hinter dem Ganzen noch weit mehr. Bis es soweit ist, kommt diese Episode aber erst einmal als handfester Survival-Thriller daher und ist deutlich reißerischer inszeniert, wobei die "Offenbarung", was es nun mit dem Ganzen auf sich hat, auch noch einen Hauch spektakulärer hätte ausfallen können, denn sind die Fronten erst einmal geklärt, wirken die letzten Minuten beinahe ein wenig überflüssig, wohingegen es sich dafür lohnt, noch den Abspann zu schauen, der noch einmal einiges in ein neues, konkreteres Licht rückt.

Last but not least – die regulären Episoden betreffend – halt diese Staffel dann noch Die Waldo-Kandidatur (2.03) bereit, die leider auch zu den schwächsten Episoden zählt, was aber nicht daran liegt, dass sie per se schlecht wäre, sondern eher damit zusammenhängt, dass die Konkurrenz diesmal so ungemein stark ist. Hier geht es also in Richtung Polit-Satire, wenn ein animierter Flegel – Waldo – sich plötzlich im Wahlkampf aufstellen lässt, ohne Partei, geschweige denn ein Programm hinter sich zu haben und rein aufgrund seiner provokanten Äußerungen zu polarisieren versteht. Die Art und Weise, wie Waldos Sprecher immer mehr in eine Abwärtsspirale gerät, wie sich die zunächst absurd wirkenden Ideen des Produzenten Napier Jason Flemyng, (Gemma Bovery) immer weiter hochschaukeln, ist zwar durchaus unterhaltsam, lässt aber auch noch merklich Luft nach oben. So kann man sich auch hier auf ein markiges und bestürzendes ende verlassen, nur werden auf dem Weg dorthin meines Erachtens die falschen Akzente gesetzt, so dass der spannendste Teil des Ganzen quasi im Off passiert (wobei es sich auch hier wieder lohnt, dem Abspann ebenfalls Aufmerksamkeit zu widmen).

Szenenbild aus Black Mirror | © Channel 4
© Channel 4

Theoretisch wäre es das schon wieder gewesen, denn die ersten zwei Staffeln, die seinerzeit noch von und für Channel 4 produziert worden sind, bevor Black Mirror dann zu Netflix gezogen und seinen beispiellosen Siegeszug angetreten hat, beinhalten nun einmal nur je drei Episoden, doch nominell zählt eben auch das Ende 2014 veröffentlichte Special Weiße Weihnacht noch zur zweiten Staffel der Serie und markiert auch gleich den qualitativen Zenit der Show. Das liegt nicht nur, aber unter anderem auch daran, dass die Episode allein mit Jon Hamm (Bad Times at the El Royale) und Rafe Spall (Jurassic World: Das gefallene Königreich) in den Hauptrollen absolut großartig besetzt ist, hängt aber auch damit zusammen, dass inmitten der abgelegenen Hütte zum Weihnachtsabend eine einzigartige Atmosphäre erzeugt wird. Und wer liest, die rund 80 Minuten umfassende Special-Episode bestehe aus drei Kurzgeschichten, der muss mitnichten befürchten, dass diese nicht am Ende zusammenlaufen würden, zumal die Grenzen fließend sind und die Geschichten des Öfteren unterbrochen werden, um wieder zu den zwei Männern in der Küche zu schwenken. Dabei entpuppen sich beide mehr oder minder schnell als höchst unzuverlässige Erzähler, denn während wir ihren Ausführungen lauschen, sehen wir natürlich, wie es sich wirklich zugetragen hat, was schnell die eine oder andere Fassade bröckeln lässt, ohne dass man indes die gleichsam gelungenen, mehrfach vorhandenen Twists gegen Ende wirklich vorausahnen könnte. Somit gelingt Charlie Brooker ein fantastischer Ausstand für die Show bei Channel 4, der zudem noch jede der vorangegangenen Episoden beider Staffeln mehr oder minder auffällig referenziert, was aber nur als zusätzliches Schmankerl in einer auch für sich großartigen Episode gelten darf, der man auch problemlos als Quereinsteiger eine Chance geben könnte, da sie alle Stärken mit sich bringt, derer sich diese Serie rühmen darf.

Fazit & Wertung:

In der zweiten Staffel vermag Black Mirror fokussiert und abwechslungsreich bestehende Stärken auszubauen und überzeugt in jeder der drei Episoden – sowie dem großartigen Weihnachts-Special – mit unterschiedlichsten Ansätzen und Prämissen. Mag hierbei die dritte Episode ein wenig schwächeln, liegt das doch hauptsächlich an der starken Konkurrenz.

8,5 von 10 dystopischen Ideen einer erschreckenden Zukunft

Black Mirror | Staffel 2

  • Dystopische Ideen einer erschreckenden Zukunft - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

In der zweiten Staffel vermag Black Mirror fokussiert und abwechslungsreich bestehende Stärken auszubauen und überzeugt in jeder der drei Episoden – sowie dem großartigen Weihnachts-Special – mit unterschiedlichsten Ansätzen und Prämissen. Mag hierbei die dritte Episode ein wenig schwächeln, liegt das doch hauptsächlich an der starken Konkurrenz.

8.5/10
Leser-Wertung 10/10 (1 Stimme)
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Episodenübersicht: Staffel 2

01. Wiedergänger (8,5/10)
02. Böse Neue Welt (8,5/10)
03. Die Waldo-Kandidatur (7/10)
00. Weiße Weihnacht (9/10)

 
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Black Mirror | Staffel 2 ist exklusiv bei Netflix verfügbar.

vgw

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