Review: Fosse/Verdon (Serie)

Auch heute kommt keine neue Netflix-Serie an dieser Stelle zum Zug, sondern stattdessen eine FX-Produktion, die es nun dank Disney+ auch endlich zu uns geschafft hat und die ich nachfolgend gerne in den höchsten Tönen loben möchte.

Fosse/Verdon

Fosse/Verdon, USA 2019, ca. 50 Min. Je Folge

Fosse/Verdon | © 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation/FX Productions
© 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation/FX Productions

Serienschöpfer:
Thomas Kail
Steven Levenson
Sam Wasson (Buch-Vorlage)
Ausführende Produzenten:
Steven Levenson
Thomas Kail
Joel Fields
Lin-Manuel Miranda
George Stelzner
Sam Rockwell
Michelle Williams

Main-Cast:
Sam Rockwell (Bob Fosse)
Michelle Williams (Gwen Verdon)

in weiteren Rollen:

Norbert Leo Butz (Paddy Chayefsky)
Margaret Qualley (Ann Reinking)
Jake Lacy (Ron)
Peter Scolari (Mel)
Aya Cash (Joan Simon)
Evan Handler (Hal Prince)
Nate Corddry (Neil Simon)
Kelli Barrett (Liza Minnelli)
Rick Holmes (Fred Weaver)
Bianca Marroquin (Chita Rivera)
Alexis Carra (Sherry)
Paul Reiser (Cy Feuer)
Wayne Wilcox (Michael Kidd)
Blake Baumgartner (Nicole Fosse)
Juliet Brett (Nicole Fosse)
Ari Brand (Danny)
Jeff Blumenkrantz (Lonnie)
Ahmad Simmons (Ben Vereen)
Emma Caymares (Rebecca)
Paloma Garcia Lee (Adrienne)
Nicholas Baroudi (Scott Brady)
Sydni Beaudoin (Lori)
Sean Patrick Doyle (Michael O’Haughey)
Stephen Plunkett (Paul Grantner)

Genre:
Biografie | Drama | Musik

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Fosse/Verdon | © 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation/FX Productions
© 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation/FX Productions

Mitte der Fünfzigerjahre lernen sich die viel gelobte Tänzerin Gwen Verdon und der Choreograf und Regisseur Bob Fosse bei der Arbeit an dem Musical "Damn Yankees" kennen. Was als Affäre beginnt, wird bald Liebe und Gwen in weiterer Folge Bobs dritte Ehefrau. Aus dieser Verbindung geht 1963 die gemeinsame Tochter Nicole hervor, während das Künstlerehepaar mit dem drei Jahre später erschienenen "Sweet Charity" einen immensen Bühnenhit für sich verbuchen konnten. Das hilft ihrer von Enttäuschungen, Lügen und vor allem Affären geprägten Beziehung aber auch nicht und bald schon gehen die beiden getrennte Wege, indes ohne sich scheiden zu lassen. Nicht nur der gemeinsamen Tochter wegen blieben sich Fosse und Verdon auch weiterhin verbunden und weitere Erfolge wie der von der Kritik gefeierte Film "Cabaret" lassen nicht lange auf sich warten, doch Bobs destruktiver Lebensstil hinterlässt zusehends Spuren und die gemeinsame Arbeit an dem Musical "Chicago" stellt das ohnehin zerrüttete, an eine Art Co-Abhängigkeit erinnernde Verhältnis der beiden auf eine harte Probe…

Rezension:

Bereits lange vor Erscheinen der Miniserie Fosse/Verdon hatte ich selbige auf dem Schirm, ohne auch nur im Ansatz genau zu wissen, wer Bob Fosse und Gwen Verdon denn eigentlich genau gewesen sind. Kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass mit Sam Rockwell und Michelle Williams zwei absolute Ausnahmetalente in die Rollen der schillernden aber auch scheiternden Ehepartner schlüpfen, die hierzulande wohl sicherlich nicht annähernd so bekannt sind wie in Amerika, aber ebenso unzweifelhaft ihre Spuren im Business hinterlassen haben, wovon allein schon kündet, dass man Gwen Verdon zu Ehren an ihrem Todestag im Jahr 2000 am Broadway eine Gedenkminute lang die Lichter ausknipste. Doch so sehr ich auch gespannt gewesen bin auf die achtteilige, von Steven Levenson und Thomas Kail geschaffene Miniserie, die gleichsam als (doppeltes) Biopic wie auch Huldigung einer früheren Ära verstanden werden darf, gab es sie hierzulande schlicht nirgends zu sehen oder zu kaufen. Ändern sollte sich das erst in diesem April, als relativ unvermittelt – und für mich unverhofft – die gesamte Serie im Star-Bereich von Disney+ zum Abruf bereitstand und es versteht sich, dass ich mich schnell in dieses Abenteuer gestürzt habe, das das umtriebige, wendungsreiche, tragische und abgründige Leben der beiden fernab der großen Bühnen zu werden versprach.

Szenenbild aus Fosse/Verdon | © 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation/FX Productions
© 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation/FX Productions

Dabei gehen Levenson und Kail mitnichten den einfachen Weg und erzählen in sturer Stringenz die Lebensgeschichte der beiden namensgebenden Künstler, sondern produzieren wilde und unvermittelte Zeitsprünge, hüpfen von den glücklichen Anfangstagen zu bedeutenden Sternstunden und bis hin zum Ende, jeweils kurz unterlegt mit Texteinblendungen, die relativ kryptisch darüber aufklären, wie viele Stunden, Tage, Wochen oder Jahre "vor dem Ende" man sich befindet. Das macht die Serie vom ersten Moment an auch durchaus fordernd, wenn man den wild vermengten Ereignissen folgen möchte, doch genügt es auch zunächst einmal, sich an dem großartigen Schauspiel der beiden Hauptdarsteller*innen zu ergötzen, die man für die einzelnen Episoden im Leben von Fosse/Verdon wahlweise verjüngt oder hat altern lassen, was tatsächlich besser funktioniert als in vielen anderen Produktionen. Überhaupt steht und fällt die Produktion aber im vorliegenden Fall mit ihren Schauwerten und derer gibt es einige, wenn man die Kostüme, Einrichtungsgegenstände und alles weitere der unterschiedlichen Jahrzehnte betrachtet, durch die sich die Lebensgeschichte der beiden zieht. Und natürlich gibt es auch einiges an Tanz- und Musical-Einlagen, auch wenn die längst nicht so präsent, dominant und ausufernd sind, wie man das vielleicht vermuten würde, so dass das große Spektakel meist nur angedeutet wird oder in den verrauchten Probenzimmern stattfindet.

Dafür wissen die Serienschöpfer, Schreiber und Regisseure die Musikeinlagen beispielsweise für Traumsequenzen zu nutzen, wodurch ihnen etwas Fatalistisches und Tragisches zugedacht wird, was sich gleichsam ihm destruktiven Verhalten von Bob Fosse widerspiegelt, der dem Gefühl nach alleine von – und für – Zigaretten, Alkohol, Drogen und Sex gelebt zu haben scheint. Ursprünglich sollte die Serie auch lediglich "Fosse" heißen (wie auch das zugrundeliegende Buch von Sam Wasson), doch bei der weiteren Recherche sei den Verantwortlichen erst die Rolle klargeworden, die auch und insbesondere Gwen Verdon in dessen Leben gespielt hat, weshalb man den einzig richtigen Schritt ging, nun eben von Fosse/Verdon zu sprechen. Nichtsdestotrotz lässt sich nicht leugnen, dass der von Sam Rockwell (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri) wirklich bravourös und vor allem vielschichtig verkörperte Bob Fosse die deutlich präsentere Figur in dem Reigen gibt, während sich Gwen Verdon schon des Öfteren zurückhält oder -zieht, in Michelle Williams (Manchester by the Sea) aber eine Darstellerin gefunden hat, die nicht nur Rockwells Charisma mühelos Paroli bietet, sondern gleichsam zur nuanciert-beeindruckenden Darstellung der Frau befähigt ist, die ihrem unzuverlässigen, untreuen, abgründigen Ehemann zwar früh den Rücken gekehrt, ihn nicht nur seines Talents wegen aber auch nie wirklich verlassen hat. Dieses stete Umkreisen, die zaghaften Annäherungen, neuerlichen Enttäuschungen, melancholischen Erinnerungen machen dann auch einen großen Reiz der Serie aus, die beinahe für jede einzelne Episode einen neuen Ansatz findet, die Geschichte einerseits weiterzuspinnen, gleichsam aber auch von ungewohnten Seiten neu zu beleuchten.

Szenenbild aus Fosse/Verdon | © 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation/FX Productions
© 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation/FX Productions

Das ist insofern schon gelungen und richtig, da man – wäre man, anders als ich, mit der Geschichte von Fosse und Verdon vertraut – natürlich nicht nur das Ende, sondern auch die denkwürdigsten Momente in ihrer beider Leben vorherahnen beziehungsweise kennen würde. So werden immer wieder Schlüsselmomente referenziert, während andernorts – zum Beispiel in der Episode Wo gehe ich hin? (1.05) auch die bewusste Entscheidung getroffen wird, die Zeitsprünge zeitweise ad acta zu legen, um an einem zunächst lauschigen Wochenende einen Blick nach vorn und zurück zu werfen, während sich Bob und Gwen dazu entschließen, das Projekt Chicago in Angriff zu nehmen, wobei der damit einhergehende Druck auf den perfektionistischen Workaholic Fosse bereits seine Schatten vorauszuwerfen beginnt. Es ist mitnichten eine leichte Serie und oft von einer gewissen Tragik umweht, während der romantische Beginn der Beziehung der beiden Ausnahmetalente im großen Kontext auch eher eine Randnotiz darstellt, gleichsam aber in jedem sich anschließenden Streit und Zerwürfnis merklich nachhallt, was wiederum den beiden Hauptdarstellern zu verdanken ist. Ob man nun also mit dem Schaffen der beiden vertraut ist oder sich – wie ich – auf gänzlich neues Terrain begibt, Fosse/Verdon ist sowohl darstellerisch als auch inszenatorisch eine Offenbarung und Glanzleistung, auch wenn das glamouröse Leben längst nicht so schillernd wirkt, wenn man zunehmend hinter die Fassade zu blicken beginnt und der zunehmenden Demontage des Protagonisten Fosse beiwohnt, der in vielerlei Hinsicht verurteilenswerte Charaktereigenschaften in sich vereint, künstlerisch aber eben auch für die große Geste und den pompösen Auftritt lebte.

Fazit & Wertung:

Mit der achtteiligen Miniserie Fosse/Verdon beschwören Serienschöpfer Steven Levenson und Thomas Kail nicht nur Flair und Atmosphäre einer längst vergangenen Ära, sondern setzen dem Künstlerehepaar ein beeindruckend und vielschichtig inszeniertes Denkmal, bei dem sowohl Sam Rockwell als auch Michelle Williams in den namensgebenden Hauptrollen zu brillieren wissen.

8,5 von 10 minutiös geplanten Tanz-Choreographien

Fosse/Verdon

  • Minutiös geplante Tanz-Choreographien - 8.5/10
    8.5/10

Fazit & Wertung:

Mit der achtteiligen Miniserie Fosse/Verdon beschwören Serienschöpfer Steven Levenson und Thomas Kail nicht nur Flair und Atmosphäre einer längst vergangenen Ära, sondern setzen dem Künstlerehepaar ein beeindruckend und vielschichtig inszeniertes Denkmal, bei dem sowohl Sam Rockwell als auch Michelle Williams in den namensgebenden Hauptrollen zu brillieren wissen.

8.5/10
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Episodenübersicht:

01. Das Leben ist ein Kabarett (8,5/10)
02. Die Geburt des Traumduos (8/10)
03. Mein Baby und ich (8,5/10)
04. Ruhm (8,5/10)
05. Wo gehe ich hin? (8,5/10)
06. Die Liebe geht vor (8/10)
07. Das Chicago-Musical (8,5/10)
08. Die Vorsehung (8,5/10)

 
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Fosse/Verdon ist seit dem 02.04.2021 bei Disney+ verfügbar.
vgw

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