Review: Suspiria (Film)

Theoretisch hätte ich nachfolgenden Film schon gut für den nahenden Oktober aufheben können, aber da ich mit meiner Planung ohnehin einige Wochen voraus bin, spricht auch nichts dagegen, heute schon über dieses Werk zu sprechen, was mir doch ausnehmend gut gefallen hat.

Suspiria

Suspiria, USA/IT 2018, 152 Min.

Suspiria | © Koch Media
© Koch Media

Regisseur:
Luca Guadagnino
Autor:
David Kajganich

Main-Cast:
Dakota Johnson (Susie)
Tilda Swinton (Madame Blanc / Helena Markos)
Mia Goth (Sara)
Lutz Ebersdorf (Dr. Klemperer)
Jessica Harper (Anke)
Chloë Grace Moretz (Patricia)
in weiteren Rollen:
Angela Winkler (Miss Tanner)
Ingrid Caven (Miss Vendegast)
Elena Fokina (Olga)
Sylvie Testud (Miss Griffith)
Renée Soutendijk (Miss Huller)
Christine Leboutte (Miss Balfour)
Fabrizia Sacchi (Pavla)
Malgorzata Bela (Susie’s Mother / Death)

Genre:
Fantasy | Horror | Mystery

Trailer:

 

Inhalt:

Szenenbild aus Suspiria | © Koch Media
© Koch Media

Das Jahr 1977, in dem der Terror der RAF das geteilte Deutschland erschüttert, wird bald schon als der Deutsche Herbst bekannt sein und zu dieser Zeit verschlägt es die Amerikanern Susie Bannion nach Berlin, um sich an der renommierten Ballettschule "Marcos Dance Academy" zu bewerben. Kurz zuvor erst ist eine der Tänzerinnen namens Patricia aus der Akademie geflüchtet und erzählt dem Psychologen Dr. Klemperer grauenhafte Dinge von Einflussnahme und Übergriffigkeit, geheimen Ritualen und verstörenden Traumbotschaften, was ihn natürlich zu der Annahme verleitet, Patricia würde sich in eine Art Wahnvorstellung hineinsteigern, doch wagt er dennoch den Versuch, herauszufinden, was hinter den Mauern der Akademie vor sich geht. Susie derweil überzeugt Schulleiterin Madame Blanc von ihrem Talent und wird angenommen, tritt an Patricias Stelle und soll alsbald gar die Hauptrolle in der Aufführung des Stückes "Volk" übernehmen, während eine weitere Tänzerin der Academy den Rücken kehrt. Doch nach kurzer Zeit beginnen auch die Alpträume und Merkwürdigkeiten für Susie, die erst langsam dahinterkommt, dass hinter dem Sichtbaren noch eine weit abgründigere Realität lauert…

Rezension:

Beginnen wir diese Rezension erst einmal wieder damit, dass ich einräume, den gleichnamigen Film-Klassiker Suspiria von Dario Argento nie gesehen zu haben, so dass ich als unvorbelasteter Betrachter an die 2018er-Fassung von Luca Guadagnino herangegangen bin. Diese kann man schon kaum noch als Remake bezeichnen, denn abgesehen von einigen inhaltlichen und namentlichen Eckdaten haben ja wohl beide Werke nicht wirklich viel miteinander gemein, wie ich nach ein wenig Recherche feststellen durfte. Entsprechend auch als Nicht-Kenner für mich durchaus nachvollziehbar, dass Guadagninos Fassung bei den Fans des teils kultisch verehrten Argento-Streifens von 1977 keine Schnitte gewinnt, geht er schließlich in Aufbau und Inszenierung einen gänzlich anderen Weg. Dabei schafft er mit seiner rund zweieinhalb Stunden währenden Mär ein regelrechtes Horror-Epos, das allerdings zugegebenermaßen die meiste Zeit auch nicht wirklich gruselig, dafür aber stets verstörend und beklemmend geraten ist, abgesehen von einigen bluttriefenden und expliziten Einschüben aber mehr auf hintergründigen Horror setzt und auf beispielsweise Jump-Scares gänzlich verzichtet.

Szenenbild aus Suspiria | © Koch Media
© Koch Media

Verwerflich finde ich das alles nicht und muss sagen, dass mich Suspiria schnell in seinen Bann zu ziehen wusste. Das mag auch an dem eröffnenden Auftritt von Chloë Grace Moretz (Let Me In) gelegen haben, die im Gegensatz zu ihrer prominenten Nennung beim Cast zwar nur eine geringe Rolle in dem Reigen spielt, in den wenigen Minuten hier aber durchweg überzeugt und vor allem auf das Nachfolgende einstimmt. Guadagninos Ambitionen werden bereits hier und in den nachfolgenden Einstellungen deutlich, denn er erzählt nichts weniger als eine Geschichte in sechs Akten nebst Epilog, was auch der durchaus üppigen Laufzeit Rechnung trägt. So hätte man Susie Bannions Ankunft in Berlin und an der Academy durchaus auch straffer und zügiger durchexerzieren können, doch gehört schon dieses behäbige Vorankommen zu Stil und Aufbau des Gezeigten, so dass ich im Nachgang behaupten muss, es gar nicht anders gewollt zu haben. Eine bedrückende Farbgebung, eigentümliche Kameraperspektiven, eine vom ersten Moment an nur wenig greifbare Bedrohlichkeit schaffen vom ersten Moment an eine durchweg stimmige Atmosphäre der drohenden Gefahr, einen Mikrokosmos in einer regelrecht umkämpften Stadt, der allerdings noch mehr schrecken und Geheimnisse bereithält, statt Schutz und Sicherheit zu bieten.

Schwelgerisch ist es wohl zu nennen, wie hier eine Vielzahl Themen und Gedanken verhandelt werden, so dass dieser Suspiria weitaus mehr Fleisch auf den Rippen hat, was Erzählung und Figurenzeichnung, Mysterien und Schrecken beinhaltet, während insbesondere Dakota Johnson (Bad Times at the El Royale) im Zentrum all dessen als Susie Bannion ungemein überzeugt, auch wenn ihre Figur merkwürdig unnahbar und undurchsichtig bleibt, obwohl man so einen Ansatz wohl eher bei der von Tilda Swinton (Only Lovers Left Alive) verkörperten Madame Blanc erwartet hätte. Swinton derweil ist mitnichten nur in dieser einen rolle zu sehen und "spielt" ebenfalls den fiktiven Schauspieler Lutz Ebersdorf, der wiederum den Dr. Klemperer mimt. Das mag schön meta sein und gelingt ihr zudem formidabel, doch hätte ich es begrüßt, wenn das Ganze auch einem dramaturgischen Sinn gedient hätte, statt dass Swinton diese Doppelrolle lediglich "for the sheer sake of fun" gespielt hätte. Immerhin aber fügen Guadagnino und Drehbuchautor David Kajganich (die auch schon für A Bigger Splash zusammengearbeitet haben) mit Klemperer der Erzählung eine weitere, nicht minder spannende oder mysteriöse Erzählebene hinzu, die sich erst spät, aber auf stimmige Art mit den Geschehnissen hinter den Mauern der "Marcos Dance Academy" verbindet. Auch die Verlegung aus dem fiktiven Freidorf ins Berlin des Jahres 1977 erweist sich derweil als effektiv und stimmungsvoll, zumal parallel zur Filmhandlung auch die inhaftierte Baader-Meinhof-Gruppe oder die Entführung der Landshut-Maschine Erwähnung finden, was unterschwellig die auch vor den Mauern herrschende Angst und Verunsicherung unterstreicht. Während sowohl Deutschland als solches als auch die Academy sich in einer Phase des Umbruchs befinden, findet hier im Grunde eine wenn auch verquere und über die Maßen drastische, weil verzweifelte Form der Vergangenheitsbewältigung Anwendung. Eine schematisch skizzierte Überlappung von Themen, die sich auch auf Klemperer übertragen lässt, der seiner seit Jahren vermissten Frau nachspürt.

Szenenbild aus Suspiria | © Koch Media
© Koch Media

Diese Umsturz-Stimmung wird – bezogen auf die Academy – lange Zeit nur angedeutet und viele, teils verwirrende, teils schockierende Szenen lassen sich erst im Nachgang verorten, doch trägt das eben auch zu der mysteriösen, bedrohlichen Stimmung bei, die sich letztlich in einem Finale entlädt, dass dann auch Splatter-Freunde befrieden dürfte. Bis dahin allerdings dauert es zugegebenermaßen lange und ich verstehe jeden, welcher der Suspiria-Neufassung ihre Länge ankreidet, auch wenn ich persönlich damit nun kein Problem gehabt habe, zumal die Gewaltspitzen und Schockeffekte zwar vergleichsweise spärlich gesät sind, dadurch aber nur umso mehr zum Tragen kommen. Ein wenig hat mich das Ganze tatsächlich in Art und Aufbau an den ebenfalls umstrittenen A Cure for Wellness erinnert, den ich auch dahingehend hier nicht von ungefähr nenne, denn hier wie dort hat auch Mia Goth eine maßgebliche Rolle inne. So mag zwar Guadagnino nicht den von einigen erhofften, markigen 80-Minuten-Horror inszeniert haben, schafft aber dennoch ein phantasmagorisches, mehr beklemmendes als schockierendes Werk, das man wohl am ehesten noch als Arthouse-Horror bezeichnen könnte, was noch durch die mannigfach – jedoch nicht zum Selbstzweck – vorkommenden Tanz-Choreografien und den eigenwilligen inszenatorischen Stil unterstrichen wird. Damit ist Suspiria zwar weit davon entfernt, ein (Horror-)Film für jedermann zu sein, überzeugt als schwelgerische Mär voller Abgründe aber durchaus.

Fazit & Wertung:

Luca Guadagnino entfernt sich mit seiner 2018er-Fassung von Suspiria weit von der gleichnamigen Vorlage und mag damit alte Fans verprellen, schafft dafür aber auch ein eigensinniges und für sich selbst stehen könnendes Werk voller Mysterien und Abgründe, dessen Länge nicht davor abschrecken sollte, hier einen Blick zu riskieren, sofern man sich allerdings bestmöglich keinen Horror-Schocker im klassischen Sinne erwartet, denn diese Schiene wird zugegebenermaßen kaum befahren.

8 von 10 düsteren Geheimnissen in "Marcos Dance Academy"

Suspiria

  • Düstere Geheimnisse in "Marcos Dance Academy" - 8/10
    8/10

Fazit & Wertung:

Luca Guadagnino entfernt sich mit seiner 2018er-Fassung von Suspiria weit von der gleichnamigen Vorlage und mag damit alte Fans verprellen, schafft dafür aber auch ein eigensinniges und für sich selbst stehen könnendes Werk voller Mysterien und Abgründe, dessen Länge nicht davor abschrecken sollte, hier einen Blick zu riskieren, sofern man sich allerdings bestmöglich keinen Horror-Schocker im klassischen Sinne erwartet, denn diese Schiene wird zugegebenermaßen kaum befahren.

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Suspiria ist am 04.04.19 auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray bei Koch Media erschienen. Hat der Artikel euer Interesse geweckt, dann bestellt doch über einen der Links und unterstützt damit das Medienjournal!

DVD:

Blu-ray:

vgw

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